Fallbeispiel 1:
Häusliche psychiatrische Fachkrankenpflege und / oder
Eingliederungshilfe bei Diagnosen aus dem schizophrenen Formenkreis
Bei einer schizophrenen Psychose handelt es sich um ein sehr komplexes Krankheitsbild mit
unterschiedlich ausgeprägten Wahnvorstellungen, aber auch starken emotionalen und
kognitiven Einbußen. Die verschiedenen Symptome bewirken dabei ein (stark) verändertes
Alltagsverhalten, z. B. ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber der Umwelt.
Akute psychotische Schübe treten oft wiederkehrend (nur sehr selten einmalig) im Leben der Versicherten auf. Dazwischen erleben viele aber auch symptomarme Lebensphasen.
Mindestens ein Drittel der Versicherten leidet allerdings fortwährend an krankheitsbedingten Einschränkungen, die ggf. zusätzlich noch zu akuten
Krankheitsspitzen führen, grundsätzlich aber als seelische Behinderung
verstanden werden müssen.
Eine medikamentöse Behandlung ist in der Regel langfristig unumgänglich, die Versicherten haben oft aber gerade dazu ein sehr zwiespältiges Verhältnis, da die angewandten Neuroleptika teils erhebliche Nebenwirkungen haben.
Außerdem ist es für die Versicherten schwer, z. B. Wahnvorstellungen überhaupt
als Krankheitssymptome zu erkennen und anzuerkennen.
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Die häusliche psychiatrische Fachkrankenpflege hat
folgende Hauptaufgaben:
Eine vertrauensvolle und tragfähige Pflegebeziehung aufzubauen
Da schizophren erkrankte Versicherte ihren Wahrnehmungen häufig nicht trauen können
und z. B. andere Menschen als bedrohlich wahrnehmen, fällt es ihnen sehr schwer, Hilfe
anzunehmen und Kontakte zuzulassen.
Sicherung / Begleitung der medikamentösen Behandlung
Ohne Hilfe ziehen sich die Versicherten meist sozial zurück, setzen Medikamente ab
und vermeiden Arztbesuche. Zudem ist der Arzt auf eine fachkompetente
Außenbeobachtung der Wirkung und möglicher Nebenwirkungen der Medikation
angewiesen.
Psychoedukative Arbeit mit den Versicherten
in der der Versicherte – gerade wegen seiner Selbstentfremdung – lernt, Krankheits- und
Krisensymptome einzuordnen, Hilfen anzunehmen, auslösende
Belastungssituationen zu meiden etc.
Hilfen zum angemessenen Umgang mit der Erkrankung
Diese bezieht sich sowohl auf den Versicherten, als auch auf die Angehörigen.
Aufgrund der Schwere der Erkrankung und der damit verbundenen Verhaltensveränderungen und Störungen der Beziehungsfähigkeit müssen auch
Angehörige beraten werden.
Andernfalls kann es zu Spannungen kommen, die wiederum krisenverschärfend
wirken können.
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In einer akuten Phase der Erkrankung müssen die Versicherten teilweise bei - für die
Behandlung oder für die Existenz - wichtigen Alltagshandlungen begleitet werden.
So kann z. B. bei einem Einkauf besser beobachtet werden, ob weiterhin paranoide
Ängste z.B. vor einem bestimmten Gebäude bestehen, als wenn die Situation mit dem
Versicherten lediglich rückblickend erörtert wird.
Zugleich muss während einer solchen Phase gesichert sein, dass der Versicherte
Nahrungsmittel zu Hause hat, schädlichen Alkoholkonsum meidet etc.
Gerade am letzten Punkt kann der Unterschied zur Eingliederungshilfe (SGB XII-Leistung)
deutlich gemacht werden: Eine Einkaufsbegleitung kann in beiden Hilfeformen
nötig sein.
Die Eingliederungshilfe bezieht sich nur auf psychisch behinderte
Versicherte, die einen langfristigen Unterstützungsbedarf haben und die ohne diesen am Leben in der Gesellschaft nicht teilnehmen können.
Diese Maßnahmen sind in der Regel für Jahre nötig. Die Zuständigkeit der häuslichen psychiatrischen Fachkrankenpflege begrenzt sich auf die behandelbare akute Krankheitsphase (in oben genanntem Beispiel die Beurteilung der paranoiden Ängste), in der es gelingen kann, innerhalb von Wochen oder wenigen Monaten die Symptomatik
und damit verbundene Fähigkeitsstörungen deutlich zurückzuführen.
So ist es auch möglich, dass psychisch behinderte Versicherte im Rahmen der SGB XII-Leistung langfristig betreut werden, zusätzlich aber in der akuten
Krankheitsphase häusliche psychiatrische Fachkrankenpflege benötigen.
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Fallbeispiel 2:
Häusliche psychiatrische Fachkrankenpflege und / oder
Psychotherapie am Beispiel der Depression
Eine 38 jährige Frau, die als Sekretärin berufstätig ist, erscheint in der Begleitung ihres
Ehemannes in der Sprechstunde des Facharztes für Psychiatrie. Sie schildert, dass sie schon länger unter Depressionen leide, deren Ursache sie in ihrer problematischen
Kindheit vermute.
Deshalb sei sie seit einem halben Jahr in psychotherapeutischer Behandlung.
Aktuell habe sich ihr Befinden allerdings sehr verschlechtert. Auf Drängen ihres Mannes habe sie sich dann zu diesem Facharztbesuch durchgerungen.
Auf Nachfragen berichtet die Versicherte von folgenden Symptomen:
Sie leide unter Ängsten, Schuldgefühlen, Grübeln und Schlafstörungen und sie könne sich zu nichts aufraffen. Die meiste Zeit des Tages verbringe sie auf dem Sofa oder im Bett.
Der Ehemann ergänzt diese Schilderung noch um die Unfähigkeit seiner Frau, die
Angelegenheiten des Alltags zu bewältigen.
Der Facharzt diagnostiziert eine schwere depressive Episode, ohne psychotische
Symptome F32.2 und stellt eine Arbeitsunfähigkeit fest. Er verordnet Psychopharmaka am Abend sowie ambulante psychiatrische Krankenpflege und vereinbart einen neuen Termin in der Praxis in drei Wochen.
Diese Versicherte ist bei der Schwere der Erkrankung nicht Psychotherapie-fähig. Insofern kann durchaus eine genehmigte Psychotherapie, deren Termine aber
vorübergehend ausgesetzt sind, neben der häuslichen psychiatrischen
Fachkrankenpflege bestehen.
Darüber hinaus verfolgt die Psychotherapie andere Ziele als die häusliche psychiatrische
Fachkrankenpflege. Die Psychotherapie kann mehrere Jahre dauern und beschäftigt sich mit den Ursachen der Erkrankung, ist eine tiefer gehende therapeutische
Intervention, die auf Heilung gerichtet ist.
Die häusliche psychiatrische Fachkrankenpflege begleitet die Versicherte
während der akuten Krise für längstens vier Monate mit dem Ziel, die aufgetretenen
Fähigkeitsstörungen zu verbessern, die Versicherte durch regelmäßige Gespräche in ihrer
vertrauten häuslichen Umgebung zu entlasten und zu stabilisieren.
Dabei werden krankheitsbedingt eingeschränkte Ressourcen reaktiviert.
QUELLE:
Gemeinsame Empfehlungen zur Umsetzung des Vertrages nach § 132a zur häuslichen psychiatrischen Fachkrankenpflege in Niedersachsen von:
AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen *)
BKK Landesverband Mitte, Siebstraße 4, 30171 Hannover
IKK classic, Tannenstraße 4b, 01099 Dresden *)
SVFLG als Landwirtschaftliche Krankenkasse *)
Knappschaft - Regionaldirektion Hannover *)
- BARMER GEK
- Techniker Krankenkasse (TK)
- DAK Gesundheit
- Kaufmännische Krankenkasse – KKH
- HEK – Hanseatische Krankenkasse
- HKK
Gemeinsamer Bevollmächtigter mit Abschlussbefugnis:
Der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek), Berlin, vertreten durch den Leiter der Landesvertretung Niedersachsen, gleichzeitig handelnd für die Landesverbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen unter Mitwirkung der Niedersächsische Arbeitsgemeinschaft Ambulante Psychiatrische Pflege des Landesfachbeirat Psychiatrie Niedersachsen
Vera Kropp
Brigitte Harnau
Helmut Frauenheim
Wilfried Kanngießer
*) in Wahrnehmung der Aufgaben eines Landesverbandes
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